Die erste Silbe „ki“ bedeutet Energie und die Zweite „ai“ Einheit. Zusammen bedeuteten beide Silben „die Energie vereinigen“.
Der Kiai ist in der Tat die Kunst, seine persönliche Energie zurückzugewinnen und eine Verschwendung der Kräfte zu vermeiden.
Um welche Energie handelt es sich dabei? Sicherlich nicht einfach um jene, die direkt oder indirekt mit Muskelkraft in Verbindung stehen, sondern vor allem um jene, die durch den Geist und die Psyche hervorgerufen werden. Wenn man sich intensiv mit dem Kiaido (jap. Lehre vom Kampfschrei) beschäftigt, dann bedingt dies auch ein ebenso intensives Studium philosophischer Lehren - der Kiai ist eine Philosophie.
Der Kiai ist ein sehr wichtiges Element im Jiu-Jitsu.
Im Jiu-Jitsu werden die Techniken u. a. durch die Atmung kontrolliert. Eine schnelle Bewegung kann nur durch rasches Ausatmen erreicht werden; dieses Ausatmen geschieht plötzlich, mitunter explosionsartig.
Bei Techniken, denen vom Sportler ein besonderer Wert zugemessen wird und die mit vollem Krafteinsatz und Kampfgeist ausgeführt werden, entsteht so der Kampfschrei.
Wenn kein richtiges Ausatmen erfolgt, so kann man auf eine mangelnde Technik schließen. Zumindest kann hier auch eine sogenannte „Pressatmung“ vorliegen; d. h., es wird überhaupt nicht ausgeatmet, sondern die Luft im Brustkorb gepresst. Dies ist ein grober Fehler im Jiu-Jitsu. Mangelndes oder falsches Ausatmen senkt die momentane Leistungsfähigkeit und birgt Verletzungsgefahr in sich (ganz deutlich ist dies bei den Fallübungen zu erkennen).
Zusammenfassend bewirkt der Kiai folgende Zwecke:
1. Der ganze Körper wird auf einen bestimmten Zeitpunkt der Technikanwendung fixiert und damit viele Muskeln kraftmäßig koordiniert; es wird die größte zur Verfügung stehende Kraft entfaltet.
2. Er strafft den inneren Brustkorb und schließt die Rippen zu einem festen Schild als Schutz für die inneren Organe gegen mögliche Verletzungen.
3. Er konzentriert die volle Körperkraft auf einen Auftreffpunkt von wenigen Quadratzentimetern - in der Abwehr wie auch im Angriff.
4. Er konzentriert oder lähmt den Gegner für einen wichtigen Zeitraum durch das
Überraschungsmoment des nichterwartenden Kiai.
Der Kiai wird tief unten im Körper gebildet. Das schreiartige Ausatmen darf nicht nur von der Brust her erfolgen. Nur so verhindert man eine teilweise Pressatmung und ist sicher, dass der ganze Körper beim Kiai gefordert wird.
Der Kiai ist in unserem Verein als Bestandteil des Jiu-Jitsu gefordert. Er wird bei Schocktechniken, insbesondere bei Eingangs- und Abschlusstechniken verwendet.